Ulrike M. Dierkes

Blogeinträge (themensortiert)

Thema:

Ausmisten und Schreiben

Hungerlohn - oder: ich glaube, mich tritt ein Pferd

Soundtrack: Bitte Pferde nacheinander anklicken und singen lassen!

***

Da soll einer sagen, Schreiben sei eine brotlose Kunst. Mal ganz abgesehen vom jährlich stattfindenden Schriftstelleressen, bei dem kein Kollege verspeist, aber jede Menge geistige Nahrung zu sich genommen wird, flattert mir doch tatsächlich ein Angebot der besonderen Art auf den Schreibtisch oder genauer gesagt: per e-Mail auf den heimischen Bildschirm und dies lautet tatsächlich so:



„Sehr geehrte Damen und Herren,
ich biete für Sie und Ihre Autorenkollegen (Forum) DEN Platz, wo Sie in Ruhe Ihren Best-seller schreiben können.“



Oh, da schaut man als Nichtbestsellerautorin ja schon mal näher hin, denn wer sehnt sich nicht nach einem lauschigen Plätzchen, womöglich mit Hüttencharme oder gar am offenen Meer?



Aber es geht noch weiter:



“Ich bitte Sie mein Angebot zu prüfen und in Ihrem Forum bzw. auf Ihrer Homepage zu veröffentlichen. Für Ihre Unterstützung danke ich Ihnen ganz herzlich.“



Naja, also wenn’s mehr nicht ist und ich dafür ein lauschiges Plätzchen mit Bestseller-Garantie erhalte.


****


“Hier finden Sie DEN Platz, wo Sie in Ruhe Ihr Buch schreiben können!* Wir bieten für Autoren zum Schreiben ihrer Bestseller den idealen Platz“...



und jetzt wird’s interessant: „...mit viel Ruhe in herrlichster Umgebung und gleichzeitigem körperlichen Ausgleich zur Ideensammlung.“



Das mit der Ruhe lässt sich ja noch gut an, wobei manchmal auch eine gewisse Geräusch-kulisse menschlicher Töne nicht unübel sein kann. Kommt drauf an, woran man gerade schreibt. Aber der Zusatz „gleichzeitigem körperlichen Ausgleich“ lässt mich denn doch aufhorchen. Ich meine, ich mache auch meine Pausen. Laufen im Wald, Kaufen in der Stadt, eigentlich ist mein Gleichgewicht körperlicher und sitzender Tätigkeit gut ausbalanciert, aber mal sehen, was geboten wird:



„Für einen *Arbeitsaufwand von ca. 4 Stunden* täglich können Sie auf unserem familienbe-triebenen Seminar- Pferdehof *bei freier Unterkunft und Verpflegung* leben. Die tägliche Arbeit besteht aus: Stalldienst (Ausmisten und Versorgung der Pferde), Hilfe in der Küche und im Gästebereich. Fachkenntnisse sind hierfür nicht erforderlich, aber Zuverlässigkeit und selbständiges Arbeiten erwünscht.“



Jetzt bin ich aber platt, um nicht zu sagen sprachlos. Also die Mithilfe am firmeneigenen oder privaten Herd oder der Küche würde ich ja eventuell noch zusagen, bin ich es doch gewohnt, meinen Teller selber zu spülen und bisher nicht auf die Idee gekommen, mein eigenes heimi-sches Domizil bestsellerträchtig gegen Mithilfe im Haushalt anzubieten, aber warum eigentlich nicht? Da liegt noch ein Stapel ungebügelte Oberhemden...möchte jemand? Aber Ausmisten, wo ich selber weder Hund und Katze habe? Und dann noch den Pferdestall? Ich meine, wenn ich durch den Wald laufe und mir hoch zu Ross Reiter entgegen kommen, ging ich bisher davon aus, dass die selbstverständlich das hohe Ross, auf dem sie sitzen, auch selber pflegen, nie wäre mir in den Sinn gekommen, es könne sich um autorengepflegte Gäule handeln.



„*Lust auf neue Impulse?* Gerne können Sie auch am Unterricht oder bei den Seminaren teilnehmen. Unseren Seminar- und Meditationsraum können Sie gerne mit nutzen. Näheres finden Sie auf unserer Homepage *www.pferdehof-steinhauser.de.*“



Also den Besuch auf der Homepage spare ich mir lieber, denn ich frage mich gerade, was, wenn aus dem Geschriebenen dann doch kein Bestseller wird?



Kann ich beim Finanzamt oder der Künstlersozialkasse eintragen: „4 Stunden Ausmisten eines Pferdestalles gegen ein ruhiges Plätzchen“ müsste ja auch für den Lebensabend und ein Ruhekissen reichen und sind in Abzug zu bringen?



Es geht sogar noch weiter:



„Wir bewirtschaften als Familienbetrieb (3 Generationen) einen Seminarhof und bieten Kurse und Ferien für 8 Gäste an. Unser Angebot ist der alternative Umgang mit den Pferden. Reiten ohne Trense, TTEAM-Arbeit, Kommunikation mit Pferden, Feldenkrais und Reiten, sowie therapeutische Arbeit.“
Mit den Pferden? Oder an mir selbst?


“Unser Hof liegt am Ortsrand eines kleinen Weindörfchens. Das alles in ruhiger, landschaft-lich reizvollen Umgebung mit viel Weite, alten Wäldern, sanften Hügeln und einem Fluss direkt vor der Tür. Gleichzeitig in der Nähe von berühmten Städten wie Rothenburg o.T., Nürnberg, Würzburg, Dinkelsbühl und vielen kleinen historischen Bilderbuchstädtchen.“



Also mein Schreibtisch steht am Naturschutzgebiet, Botnang direkt vor der Haustür, die schwäbische Alb siebzig Kilometer zur einen Richtung und der Schwarzwald auch irgendwie so 50 KM.



Einmal wöchentlich darf ein Vollbad genommen werden! Aber nur, wenn die Kehrwoche eingehalten und korrekt durchgeführt wurde. Es besteht das Angebot, meine Autorenlesungen zu besuchen und an meinen Fachvorträgen teilzunehmen Gegen Eintritt, versteht sich. Schließlich stelle ich ja meinen Schreibtischstuhl zur Verfügung, auf dem schon manch gute Sache gelaufen ist. Rein mental versteht sich.



Also was mir an diesem Luxus-Angebot fehlt, ist die Bezahlung in Naturalien. Pferdeäpfel oder so. Biokost.


Also sollte ich zum nächsten Schriftstelleressen auf einem hohen Ross daher kommen, bitte keine falschen Rückschlüsse! Dann bin ich nicht unbedingt etwa dank eines Bestsellers oder bestsellerverdächtigen Schriftstücks aufgestiegen oder hochgekommen oder gar in bessere Kreise geraten, sondern man hat mir mal wieder was vom Pferd erzählt und ich bin drauf reingefallen. Wäre ich 20 und Anfängerin, würde ich das Angebot im Sinne der Lebensschule, nicht Schule des Schreibens, vielleicht sogar näher überprüfen und als Praktikum betrachten, Thema: Ferien auf dem Reiterhof...vielleicht wird’s ja der Renner...



Aber soooo....



nix für ungut!



Frohe Weihnachten und lieber Tannenbaum schmücken.



Ulrike M. Dierkes

20.12.2007, 22.53 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Auftraggeber





exempla, Literaturzeitschrift Jubiläums-Doppelband 2004/05, Jahrgang 30/31
 

23.06.2007, 17.21 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Hasenliebe




"Unbeschreiblich weiblich" rororo, 1981
Anna Rheinsberg/Barbara Seifert (HG)

23.06.2007, 16.29 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Eine Seite

Einseitig

Eine Seite. Ich bin Schriftstellerin, also eine Person, der das Schreiben schwer fällt. Geboren mit einer Feder im Haar. Diese tauche ich Tag und Nacht in die Abläufe um mich herum, den Aktualitäten der Momente, der Gestirne, der Jahreszeit und der Träume, kurz: Zeitgeschehen. Das ist mein Elixier, seit der Computer die Tinte ablöste. Mein Schriftstellergehirn ist rund um die Uhr aktiv, lässt sich nur sehr ungern runterfahren wie ein Computer und wenn, dann nur aus Neugier auf das Leben daneben und die Träume der Nacht.
Es muss Bildern und Gedanken folgen, und das in der Schnelligkeit heutiger Abläufe, die ein hohes Arbeitstempo erfordern. Ein Gedanke, ein Gefühl, ein Wort, ein Text. Unterbrochen durch den Schlaf ist mein Schriftstellergehirn nachtaktiv wie eine Fledermaus. Bilder, die auf dem Bildschirm meiner Träume auftauchen, werden vom Radarsystem fotografiert und abgespeichert zu Texten. Die einzig wirkliche Unterbrechung, die Herz und Hirn fordern, heisst Bedürfnis. Essen, Trinken, Begegnung, Gedankenpause, Rausgehen und Wiederkommen.
Die natürlichen Feinde schriftstellerischer Gedanken und schöpferischer Tiefgänge heissen Festnetz-und Mobiltelefon, Radiowecker, Informations-und Reizüberflutung. Diese wollen organisiert werden, damit sie nicht zum Störfall werden. Nichts ist schlimmer für einen Denker und Dichter, als aus einem Satz, einem gerade angedachten Zusammenhang gerissen zu werden. So entstehen Texte, Wachsen und Werden,
Werk und Wert eines Poeten.



Ulrike M. Dierkes, 2006

23.11.2006, 18.29 | (0/0) Kommentare | TB | PL

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Gabriele


Liebe Frau Dierkes,

nun habe ich >Schwestermutter< zu Ende gelesen und möchte sagen, dass mich gerade die letzten Seiten sehr bewegt haben. Das ist das persönliche Schicksal, es immer mit sich herum zu tragen - eine Lebensaufgabe, die man annehmen muss. Sie tun es auch stellvertretend und das finde ich sehr großartig. Ich fühle mich dadurch verbunden.-danke.

(G.F., 24.05.2020)



24.5.2020-18:36
Alexandra.
Ich möchte nicht schleimen. Will Ihnen nicht sagen welche Bücher ich von Ihnen gelesen habe. Oder Sie bemitleiden. - Ich möchte Ihnen lediglich sagen, das ich es gut finde, das Sie existieren, leben & überlebt haben. Die Welt braucht Menschen wie Sie. - Menschen die den Mund auf machen. Lassen Sie ihn sich bitte niemals verbieten.

Liebe Grüße.
13.12.2011-13:23
Maria
Hallo Frau Dierkes!...gerade habe ich Ihr Buch zu Ende gelesen... Ich bewundere Sie sehr, für Ihren Lebensmut, dass Sie nie aufgehört haben zu kämpfen und ein Zeichen setzen! Da ich selber in der Nähe von Münster lebe, kann ich die Beschreibungen, Ignoranz und das Weggucken der Münsterländer, so gut nachvollziehen... Wie wunderbar, dass Sie immer an sich geglaubt haben!!!!!! Auf dass es mehr Menschen gibt, die sich trauen etwas zu sagen, nicht wegsehen,kämpfen und gewinnen.

Sie haben so viel getan und erreicht, ich wünsche Ihnen für alles weitere genauso viel Kraft, Mut und starke Menschen an Ihrer Seite!
Viele Grüße aus dem Münsterland, Maria.
8.11.2011-1:24
Andrea
Liebe Frau Dierkes

Ich kaufte Ihr Buch Schwestermutter vor paar Wochen, habe mir das Buch aber nicht gleich zum lesen hingelegt. Ich schätze, ich wusste warum.

Dieses Buch ist so schonungslos,"grausam" geschrieben, hinsichtlich dessen, was Inzestkinder und deren Mütter selbst heute noch, in unserer Ach so aufgeschlossenen Gesellschaft erdulden müssen... Ich brauchte 3 Anläufe bis ich Ihre Buch zu Ende lesen konnte. Es hat mich zutiefst betroffen gemacht. Ich bewundere aber auch Ihren Mut, Ihre Kraft und Durchhaltewillen, nicht unterzugehen,sondern für Ihre Rechte zu kämpfen. Ihr Recht zu leben, zu lieben und geliebt zu werden.

Frau Dierkes, ich wünsche Ihnen und Ihrer Stiftung alles erdenklich Gute, Kraft und Durchhaltewillen, all jenen zu helfen, die nicht soviel Lebensmut in sich tragen, wie Sie es in sich hatten und noch immer haben.

Liebe Grüsse aus der Schweiz, Andrea
7.7.2011-13:42
Isabella
Liebe Frau Dierkes!
Ich bin nicht durch Zufall auf ihr Buch gestoßen.
Vor etwa einem Monat erzählte mir meine Mutter, dass ich eine Schwester habe, die auch meine Tante ist. Als erste Reaktion habe ich Bücher zu dem Thema gesucht und bin sofort auf Ihres gestoßen.
Es hat mich wirklich sehr berührt und mir sehr weitergeholfen!
Vielen Dank!
19.10.2010-18:02